Einzelpartikel Elektrochemie

Die stochastischen Zusammenstöße einzelner schwebender Nanopartikel (NPs) mit einer potentiostierten, inerten Arbeitselektrode bieten ein einfaches, ultrasensibles Werkzeug mit hohem Durchsatz zur Analyse und Charakterisierung einzelner NPs und/oder laufender Reaktionen an ihnen. Wir entwickeln und verwenden diese so genannten „Nano-Impact“-Studien in einer Vielzahl von Kontexten.


Studien zur Elektrokatalyse

Während seines Kontakts mit der Elektrode kann der „verbundene“ Nanopartikel als Nanoelektrode fungieren und eine Redoxreaktion katalysieren. Aufgrund des hocheffizienten Stofftransports auf der Nanoskala lassen sich extrem hohe Stromdichten erzielen. Dies bietet einen effizienten Weg, um Einblicke in die katalytischen Eigenschaften eines (neuen) Nanomaterials zu gewinnen, einschließlich des intrinsischen Reaktionsmechanismus und der Kinetik. So können beispielsweise Nano-Impact-Studien über die Sauerstoffentwicklungsreaktion (OER) an ca. 4 nm großen CoFe2O4-Spinell-Nanopartikeln charakteristische, potenzialabhängige Stromstufen aufweisen[1]. Bei hohen Überspannungen ist die Stufenhöhe direkt proportional zur Verteilung der Partikelgröße und der O2-Konzentration (Produkt) in der Lösung, was zeigt, dass die Diffusion des erzeugten O2 von der Katalysatoroberfläche weg der begrenzende Faktor ist. Dementsprechend zeigen Nano-Impact-Studien in Ar-gesättigtem Elektrolyten deutliche Signale in Anwesenheit des Katalysators, während in Luft aufgezeichnete Stromstufen kleiner sind als die in Abwesenheit von O2 im Elektrolyten aufgezeichneten. In O2-gesättigten Elektrolyten wurden keine Stromstufen beobachtet. Schema und Stromverhalten eines Nano-Impakt-Experiments

Untersuchung der elektrischen Doppelschicht (EDL)

Bei Nano-Impact-Ereignissen wird die EDL des kollidierenden Nanopartikels gestört. Der daraus resultierende (Ent-)Ladungsprozess führt zu einem transienten Strom-Zeit-Ereignis (Blip oder Spike genannt), das analysiert werden kann, um direkte Einblicke in die elektronischen Eigenschaften des aufprallenden Teilchens zu erhalten. Da die EDL-Umlagerung während des Impacts gemessen wird, können Informationen über kolloidale Nanopartikel gewonnen werden (z. B. ihr Potenzial in Lösung), anstatt sich auf die üblichen oberflächenimmobilisierten Nanopartikel zu beschränken. Die kapazitiven Auswirkungen von Platin-Nanopartikeln zeigen eine EDL-Kapazität, die viel höher ist als diejenige, die von klassischen EDL-Modellen vorhergesagt wird, die den Einfluss von Metall-Wasser-Wechselwirkungen außer Acht lassen[2]. Solche Wechselwirkungen können zu einer Ionenakkumulation und einer Chemisorption von Wasser an der Metalloberfläche führen, was zu einer viel höheren Ladungsspeicherfähigkeit an der Grenzfläche führt.

Schema und Stromverhalten eines Nano-Impakt-Experiments

Untersuchung von Batteriematerialien

Mit Hilfe der Nano-Impact-Elektrochemie können wir auch aktive Alkali-Ionen-Insertionsmaterialien für Batterieanwendungen auf Einzelpartikelebene untersuchen. Das mit jeder Nanopartikelkollision verbundene Stromsignal liefert mechanistische Informationen, z. B. über den ratenbegrenzenden Schritt des Lade-/Entladeprozesses in einer Batterie. So zeigen z. B. Nano-Impact-Experimente an einzelnen TiO2-Teilchen in nichtwässrigen Medien, dass ihre intrinsische Lithiierungsrate nicht durch die Kinetik des Ionentransfers an der Grenzfläche oder die Mobilität der Ionen und/oder Elektronen in der Masse des Teilchens, sondern durch den Festkörper-Elektronentransfer begrenzt wird.[3]

Molekulare Prozesse an der Elektrode während eines Nano-Impact-Experiments

Elektrochemische Charakterisierung von Nanopartikeln

Durch Elektronenübertragung zwischen dem kollidierenden NP und einer entsprechend polarisierten Elektrode kann eine Oxidation oder Reduktion des kollidierenden Teilchens stattfinden. Die elektrochemische Umwandlung einzelner Nanopartikel führt zu transienten Stromreaktionen, die Aufschluss über ihre physikalischen Eigenschaften geben, z. B. Größe, Zusammensetzung, strukturelle Anordnung (Kern-Schale vs. Legierung), Agglomerationszustand und/oder ihre Konzentration und die damit verbundene Elektrodenkinetik. So können beispielsweise bimetallische NPs charakterisiert werden, um Informationen über die Partikelgröße und das Verhältnis der beiden Komponenten zu gewinnen. Durch den Vergleich der elektrischen Ladung von Stromspitzen bei verschiedenen angelegten Potenzialen können wir die Größe und das Komponentenverhältnis der bimetallischen NP ableiten. Bei einem moderaten Potential wird nur die unedlere Komponente des NP oxidiert, während bei hohen Potentialen beide Komponenten des NP reagieren. Das Verhältnis der beiden Spitzenladungen gibt Aufschluss über den Anteil der unedleren Komponente. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass die Nano-Impact-Analyse von 14 nm großen Nanopartikeln aus einer Ag0.73Au0.27-Legierung bei unterschiedlichen Potenzialen die Größe und Zusammensetzung der einzelnen NP erkennen lässt.[4] Dieser Ansatz dürfte wertvolle Einblicke in die Unterschiede zwischen den einzelnen Partikeln bei der elektrochemischen Legierung liefern, die ein hervorragendes Instrument zur Verbesserung der katalytischen Aktivität von NP ist, indem sie die gewünschte Porosität und Zusammensetzung aufweist.

Schema und Stromantwort eines Nano-Impakt-Experiments

Wie wir in unserer Gruppe durch die Kombination von Elektrochemie mit Elektronenmikroskopie an AgAu-Legierungs-NP-Ensembles und der Wasserstoffentwicklungsreaktion als Modellsystem herausgefunden haben, können morphologische und kompositorische Veränderungen der NPs, die durch das Dealloying induziert werden, die elektrokatalytischen Eigenschaften von Nanokatalysatoren erheblich verbessern.[5]



[1] A. El Arrassi, Z. Liu, M. V. Evers, N. Blanc, G. Bendt, S. Saddeler, D. Tetzlaff, D. Pohl, C. Damm, S. Schulz, K. Tschulik, J. Am. Chem. Soc. 2019, 141, 23, 9197.
[2] M. A. Sani, N. G. Pavlopoulos, S. Pezzotti, A. Serva, P. Cignoni, J. Linnemann, M. Salanne, M. P. Gaigeot, Kristina Tschulik, Angew. Chem. Int. Ed. 2022, 61, e202112679.
[3] T. Löffler, J. Clausmeyer, P. Wilde, K. Tschulik, W. Schuhmann, E. Ventosa, Nano Energy 2019, 57, 827.
[4] E. N. Saw, V. Grasmik, C. Rurainsky, M. Epple, K. Tschulik, Faraday discuss. 2016, 193, 327.
[5] C. Rurainsky, A. G. Manjón, F. Hiege, Y. T. Chen, C. Scheu, K. Tschulik, J. Mater. Chem. A 2020, 8, 37, 19405.